Die Pferdezucht Philipps II
Am 28. September 1527 veröffentlichte König Philipp II von Spanien einen Erlass, dass eine neue Pferderasse geschaffen werden solle. Er wollte ein ausgesprochenes Prachtpferd züchten, ein Pferd für Könige, ein Pferd das auf Paraden und Aufmärschen schon von weitem demonstrieren würde, welch bedeutende Person sich auf seinem Rücken befände. Die neue Zucht wollte er mit Steuergeldern finanzieren und er rechtfertigte diese Ausgaben dem Volk gegenüber damit, dass die Gründung dieser Rasse eine Vermehrung des öffentlichen Reichtums sei. Das Spanische Pferd als solches sollte im Typ gefestigt und verbessert und die Anzahl der Pferde vergrößert werden, wodurch die Preise für die Pferde fallen sollten. Das Volk wiederum gelänge dadurch in den Vorteil der niedrigen Pferdepreise.
Philipp II gründete die Staatszucht Real Yezuada de Castilla (Königliche Pferdeherde) und befahl in seiner Anweisung für die Gestüte von 1572 insgesamt 1200 Hengste von den bedeutendsten Züchtern als Zuchttiere zu kaufen. Dies stellt sich allerdings als kaum zu bewältigende Schwierigkeit heraus. Offenbar gab es nicht genügend Pferde, die den neuen, hohen Ansprüchen gerecht wurden. Die in Spanien gezüchteten Pferde unterschieden sich je nach Region mehr oder weniger stark. Schließlich gab es vorher kein Zuchtprogramm, das einen oder mehrere bestimmte Typen festgelegt hätte, und die äußeren Merkmale der Pferde hatten sich dem jeweiligen Gebrauch oder Geschmack in bestimmten Regionen angepasst. Also beschloss der König das Geld, das eigentlich den Ankauf von Zuchttieren ermöglichen sollte, für den Bau und Umbau der königlichen Gestüte in Corduba zu verwenden. Vereinzelte Linien kamen seinem Ideal relativ nahe – die Guzman-Pferde und später die berühmte Valenzuela-Linie. Auf diesen Pferden beruhte die neue Zucht. Philipps II, wobei er den Namen der Valenzuela durch die Bezeichnung Spanische Pferde ersetzte.
Spanien befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Die Konquistadoren eroberten Süd- und Mittelamerika und schafften das Reich in dem die Sonne nicht untergeht. Das Spanische Pferd war das weltweit beliebteste Reitpferd: Die Nachfrage aus dem Ausland war so ungeheuerlich, dass es Schwierigkeiten bereitetet, ihr nachzukommen.
Philipps II. edles Vorhaben, dem spanischen Volk mit der Verbesserung seines Nationalpferdes helfen zu wollen, entpuppte sich als Vorwand, nachdem nämlich die Zuchtpferde zu dieser Zeit fast ausschließlich von ihm selbst oder für seine Belange genutzt wurden. Die meisten Pferde traten als diplomatische Geschenke oder Zahlungsmittel die Reise ins europäische Ausland an, eine Sitte, mit der bereits Karl I. angefangen hatte. Das einfache Volk kam an die königlichen Pferde, für deren Zucht so ungeheuere Steuermittel verwendet wurden, kaum heran. Dafür hinterließ das Spanische Pferd seine Spuren in der ganzen Welt: Anfang des 16. Jahrhunderts nahmen die spanischen Gouverneure Kubas und Venezuelas ihre edlen Spanischen Pferde mit in ihre neuen Herrschaftsbereiche. 1502 brachte der erste spanische Gouverneur Santo Domingos seine zehn andalusischen Pferde mit auf die Insel. Gleichzeitig ritt im Barockzeitalter der gesamte europäische Adel auf Spanischen Pferden. Mit ihrer spektakulären Schönheit und ihren auffälligen Gängen entsprachen sie genau dem Zeitgeschmack von Pracht und Herrlichkeit.
Während es an europäischen Höfen Mode wurde, prunkvolle Paraden und Zirkusspiele zu Pferde abzuhalten, entstand im Jahr 1532 Frederic Grisons erste Reitakademie in Spanisch-Neapel mit Spanischen Pferden und 1594 unter Pluvinel die Reitschule von Versailles. 1565 nahm die Wiener Spanische Hofreitschule auf dem heutigen Josefsplatz in einer Holzreitbahn ihren Anfang, die später durch einen Prachtbau ersetzt wurde. Weil dort damals nur Spanische Pferde geritten wurden, bekam das Institut den Namen „Spanische Hofreitschule“. Im heutigen Tschechien wurden mit Hilfe Spanischer Pferde Klauber Pferdezucht (1579) und im heutigen Slowenien die der Lipizzaner (1580) gegründet.
Unter König Philipp III. begann dann die passionierte Pferdezucht Spaniens merkwürdige Blüten zu treiben. Aufgrund der großen und kaum zu befriedigenden Nachfrage aus dem Ausland nach Spanischen Pferden und modischen Einfällen kreuzte man nun Andalusier mit fremden Rassen. Philipp III war sehr von großen, schweren Pferden angetan, die im nordischen Typ standen und begann Normannen, Friesen, Frederiksborger, Holsteiner und Neapolitaner einzukreuzen. Der edle, feingliederige Typ des Spanischen Pferdes veränderte sich, wurde massiver und warmblütiger. Temperament und Charakter wurden ebenso schwerfälliger.
Gleichzeitig entstand eine konzentrierte Farbzucht, besonders von Schecken und Isabellen, ohne dass man sich dabei noch um andere äußere oder innere Werte der jeweiligen Zuchtexemplare kümmerte. Die Spanischen Pferde veränderten langsam ihren Typ und degenerierten zusehends. Gerade die Isabellen wurden in den folgenden Generationen immer heller, zeigten Glasaugen – also hellblaue – und andere Degenerationserscheinungen. Im Zuge der Zeit galten die seltenen Isabellen als letzter Schrei an europäischen Höfen, wo man sie gerne repräsentativ vor Staatskarossen spannte. Ihre Bezeichnung verdanken die Isabellen übrigens der Tochter Philipps II. Isabel Clara Eugenia, die während der drei Jahre andauernden Besetzung Ostendes angeblich schwor, ihr Hemd erst nach der Eroberung der Stadt wieder zu wechseln. Nach Ablauf dieser Zeit hatte das Hemd angeblich eine Farbe wie das gelbe Fell eben jener goldfarbenen Pferde mit weißer Mähne.
Viele der Pferde, die von Diego Velazques unter den unterschiedlichsten Mitgliedern der spanischen Krone porträtiert wurden, geben bereits ganz eindeutig Zeugnis von germanischen oder normannisch-gekreuzten Pferden die zwar edel für reine andalusische Pferde, aber viel zu schwer und korpulent erschienen. Der wenigstens eine Zeit lang einheitliche Typ des andalusischen Pferdes war in unterschiedliche zerfallen. Wesentliche rassische Merkmale waren verloren gegangen. Viele südandalusische Züchter weigerten sich bis weit ins 16. Jahrhundert Fremdbluteinkreuzungen vorzunehmen. Entgegen aller Moden befolgten sie weiterhin die von Philipp II erlassenen Richtlinien zur Pferdezucht.


Auszug aus dem Buch von
Katharina von der Leyen
Thomas Kilper
Verlag BLV


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